Das heutige Imsum hieß bis 1954 Dingen.
Dingen und Weddewarden bildeten bis 1852 das Kirchspiel Imsum und später, bis
1927 die politische Gemeinde Imsum, benannt nach Küsterhaus, Pfarrhaus und der
Bartholomäuskirche, dem eigentlichen Imsum.
Bis zum heutigen Tage gehören beide Orte zu einer Kirchengemeinde. Am
Ochsenturm, der Ruine der alten Pfarrkirche, befindet sich wie eh und je der
gemeinsame Friedhof. Der Sportverein des TSV Imsum und der Schützenverein sind
noch immer ortsübergreifende Vereine.
Mitte der 1890er Jahre war die Eisenbahnlinie nach Cuxhaven gebaut worden.
Dort, wo die Strecke die Gemeinde Imsum berührte, also in Dingen (dem heutigen
Imsum), war folglich der Imsumer Bahnhof entstanden.
Weddewarden und Dingen hatten aber je eine eigene Poststelle.
1927 wurde Weddewarden aus der Gemeinde Imsum ausgegliedert und in das
damalige Wesermünde eingemeindet. Dies bedeutete praktisch die Auflösung des
jahrhundertealten Kirchspiels Imsum.
Nicht alle Imsumer haben dies einfach so hingenommen. So weigerte sich z.B.
der Landwirt A. Wohltmann auf dem Weddewarder Büttel hartnäckig und
erfolgreich, nach Wesermünde eingemeindet zu werden. Sein Hof mit den
angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen zwischen der Straße "Am Büttel", der
"Wurster Str." und dem "Deichweg" wurde nicht miteingemeindet und der
Gemarkung Dingen-Imsum zugeschlagen. Aus diesem Grund bildet heute die Wurster
Straße im Bereich der Zionkirche bis zur Linie Bütteler Specken - Deichweg
(alte Gemarkungsgrenze zwischen Weddewarden und Dingen) sowohl die Stadt- als
auch die Landesgrenze.
Für die Weddewarder, die 1927 Wesermünder und später Bremerhavener wurden, war
jetzt alles klar. Sie hatten eine neue amtlich verordnete städtische Identität
erhalten, obwohl sie weiterhin auf ihrem Imsumer Deich spazierengingen, in den
genannten Imsumer Vereinen ihre Freizeit gestalteten, oder sich auf dem
Imsumer Friedhof vom Imsumer Pastor begraben ließen.
Aber für die Dingener wurde es jetzt kompliziert. Denn trotz der Ausgemeindung
Weddewardens blieb die politische Gemeinde Imsum erhalten, bestand aber nur
noch aus dem Ort Dingen. Das gab Anlaß zu mancherlei Verwirrung. Ortsunkundige,
die mit der Bahn nach Imsum wollten, stiegen natürlich am Imsumer Bahnhof aus
und befanden sich - in Dingen, dachten also, sie seien zu früh oder zu spät
ausgestiegen. Ähnlich erging es denen, die mit dem Auto nach Imsum wollten.
Sie pendelten verwirrt zwischen Bremerhaven und Wremen hin und her, fanden
zwar Dingen, aber nicht Imsum. Und nicht immer traf man auf jemanden, der
einem erklärte, daß Dingen Imsum und Imsum Dingen ist.
1954 hatte man ein Einsehen und gab den Namen Dingen zugunsten des Namens
Imsum auf. Böse Zungen behaupteten später, die Umstellung der Poststempel sei
billiger gewesen, als die Umbenennung des Imsumer Bahnhofs. Heute wissen wir,
daß sie Recht hatten.
Seitdem gerät der Name Dingen immer mehr in Vergessenheit und auch der Name
Imsum wird meistens nur noch mit dem Ort identifiziert, der bis Ende der
1950er Jahre gar nicht so hieß, sondern jahrhundertelang die Bezeichnung des
viel größeren Kirchspiels war.
Wie kompliziert die Dinge noch in den 1990ern waren, mag folgende Begebenheit
aus dem Jahr 1990 zeigen. Als in dem Jahr eine Weddewarderin in der
Imsum-Weddewarder Kirche heiratete, fand sich vor der Kirche, wo der
Brautvater den Gästen mit der ortsüblichen "Buddel Schluck" aufwartete, auch
ein wissensdurstiger junger Mann ein. Er fragte mich, wie es käme, daß eine
Weddewarderin in der Imsumer Kirche heirate, ob denn der Bräutigam Imsumer
sei. Letzteres konnte ich zwar entschieden verneinen, der Bräutigam war
eindeutig Amerikaner, aber vor einer Einführung in die
Imsum-Dingen-Weddewarder Gemengelage scheute ich mich.
Schließlich riskierte ich es doch. Ich erklärte ihm, daß die Imsumer auch die
Weddewarder Kirche sei, woraufhin er mich unterbrach und sagte, sie stände
aber doch in Imsum, worauf ich entgegnete, sie stände in Weddewarden, Imsum
begänne erst hundert Meter nördlich der Kirche, worauf er irritiert
nachfragte: dann gehören also auch die gegenüberliegenden Häuser zu
Weddewarden, worauf ich korrigierte: nein, sie gehören zu Imsum, die andere
Straßenseite habe früher zu Weddewarden gehört, Weddewarden sei aber früher
auch Imsum gewesen und eigentlich sei das heutige Imsum gar nicht Imsum,
sondern Dingen, was aber Weddewarden zusammen die Gemeinde Imsum gebildet
habe.
Da mein Gegenüber nun keinen Einwand mehr machte, sondern mich nur verblüfft
anschaute, fühlte ich mich ermutigt, mit meinen Erklärungen fortzufahren. In
diesem Augenblick sah ich, wie ahnungslose Kinder über die Wurster Straße von
Bremen nach Niedersachsen bunte Bänder als Mautsperren für das
deutsch-amerikanische Brautpaar spannten. Ich wollte daraufhin gerade die
Geschichte von Bauer Wohltmann erzählen, als der Brautvater zu mir kam und mir
ein neues Glas Korn in die Hand drückte...
Da verwandelte sich der verdutzte Gesichtsausdruck meines Gesprächspartners
langsam in ein verstehendes Lächeln. Er entfernte sich, überquerte die Wurster
Straße, grüßte noch einmal freundlich von Niedersachsen nach Bremen herüber
und verschwand in Richtung Weddewarden, wo er vermutlich jenseits der Straße
"Am Büttel" gesichertes bremisches Gebiet erreicht hat.
Na endlich, dachte ich: endlich hat mich mal jemand verstanden und weiß jetzt
wo Imsum Dingen und Weddewarden Imsum ist.
Aus "Wat wi gedan...", 900 Jahre
Weddewarden/Imsum
Mit freundlicher Genehmigung der Bürgergemeinschaft Weddewarden als
Herausgeber/Autoren/Rechtsinhaber
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